Gottesdienst zum 5. Sonntag nach Trinitatis

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Das Wort vom Kreuz als Weisheit und Kraft Gottes

1.Korinther 1,18-25

18 Denn das Wort vom Kreuz ist eine Torheit denen, die verloren werden; uns aber, die wir selig werden, ist es Gottes Kraft. 19 Denn es steht geschrieben (Jesaja 29,14): »Ich will zunichtemachen die Weisheit der Weisen, und den Verstand der Verständigen will ich verwerfen.« 20 Wo sind die Klugen? Wo sind die Schriftgelehrten? Wo sind die Weisen dieser Welt? Hat nicht Gott die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? 21 Denn weil die Welt durch ihre Weisheit Gott in seiner Weisheit nicht erkannte, gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt selig zu machen, die da glauben. 22 Denn die Juden fordern Zeichen und die Griechen fragen nach Weisheit, 23 wir aber predigen Christus, den Gekreuzigten, den Juden ein Ärgernis und den Heiden eine Torheit; 24 denen aber, die berufen sind, Juden und Griechen, predigen wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. 25 Denn die göttliche Torheit ist weiser, als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit ist stärker, als die Menschen sind.

 

Liebe Schwestern und Brüder,

das Kreuz war, ist und wird immer auf vielfältige Weise ein Skandalon für alle diejenigen sein, die nicht glauben und bekennen, dass unser Herr Jesus Christus gekreuzigt und gestorben ist, begraben wurde und am dritten Tage von den Toten auferstanden ist.

Gewiss, dass Kreuz ist in seiner Bedeutung ambivalent. In seiner ursprünglichen Symbolik verweist es auf eine zur Lebzeit Jesus gängige Hinrichtungsmethode, die die Römer vor allem an Verschwörern und Aufrührern gegen das Römische Reich vollzogen.

Die Hinrichtung am Kreuz war eine besonders brutale Form der Strafe, mit der der Delinquent nicht nur auf grausame und leidende Art hingerichtet, sondern damit zugleich entehrt und gedemütigt werden sollte. Der Todeskampf der an das Kreuz Geschlagenen war lange und quälend. Wenn die Henker die Gekreuzigten besonders lange leiden lassen wollten, ließen sie die Gekreuzigten so lange am Kreuze hängen, bis sie verdursteten, der Herz-Lungen-Kreislauf versagte oder sie vor Erschöpfung starben, was durchaus erst nach einigen Tagen sein konnte.

Angesichts dieser unfassbaren Torturen wagt man fast zu sagen, dass es ein Gnadenakt gewesen sein mag, wenn die Henker dem Delinquenten die Unterschenkel zertrümmerten (Johannes 19,31–32), der Sterbende mit seinem ganzen Körpergewicht an den Armen nach unten sackte, die Lunge sich beim Atmen dadurch nicht mehr richtig entfalten konnte und der Tot sehr schnell durch Ersticken eintrat.

Wiewohl es sicherlich keine würdevolle Hinrichtung gibt, so galt der Tod am Kreuz in besonderem Maße entwürdigend und wurde — wenn sogar derselbe Tatbestand vorlag — niemals bei Straftätern vollzogen, die das römische Bürgerrecht hatten. Diese hatten ein Anrecht auf einen weniger grausamen Vollzug der Todesstrafe.

Liebe Schwestern und Brüder,
angesichts dieser doch sehr drastischen Schilderung dieser Hinrichtungsart verliert das Kreuz in seiner Symbolik seine Unschuld. Just dieses Marter-, Folter- und Todeswerkzeug haben wir Christen zum Wahrzeichen unseres Glaubens und unserer Gemeinschaft gemacht.

Letztlich ist das Kreuz aber trotz all seiner Dramatik im qualvollen Leiden, Dahinsiechen und Sterben all der Opfer, nicht nur Jesus, in der Vergangenheit und in der Gegenwart — vergessen wir nicht die grausamen Berichte aus der Levante der vergangenen Jahre–, durch den Glauben an die Auferstehung des Christus ein Symbol der Hoffnung. Eine Hoffnung auf das ewige Leben, dass uns der Auferstandene verspricht, wenn wir an ihn glauben und ihm folgen.

Mit der Taufe und den Glauben nehmen wir Christen Anteil an der Heilsgewissheit und das Schicksal des Auferstanden. Durch Christus wurde die Endlichkeit der menschlichen Existenz und die unentrinnbare Gewissheit des Todes aufgehoben und die Glieder am Leibe Christi werden hineingenommen in das gegenwärtige und zukünftige Heil. ,,So wie Adam im Sündenfall den Tod an sich band, bringt Jesus als Christus als Überwinder des Todes das Leben […].“\footnote{Siehe Schnelle, Udo: Theologie des Neuen Testamentes, 3. Aufl., Göttingen 2016, S. 331.} So wie Gott Jesus von den Toten auferweckte, verbleiben die verstorbenen Glieder am Mystischen Leib Christi ebenfalls nicht im Tod, sondern gehen wie im Leben der immerwährenden Gemeinschaft mit Christus entgegen.

Liebe Schwestern und Brüder,
der Apostel Paulus nimmt in seinem Brief an die Korinther die Zweifel der Kritiker des Glaubens an den Kreuzestod und die Auferstehung Jesu durchaus ernst und greift sie in seiner Replik pointiert auf und widerlegt sie. Sie wollen sich nicht zum Kreuzestod und zur Auferstehung Jesu bekennen, weil ihnen die sichtbaren Zeichen fehlen oder sie innerhalb ihres eigenen Wahrheitssystem zu einer anderen Schlussfolgerung kommen. Um Gott zu erkennen bedarf es vordergründig des Glaubens.

Paulus macht aber keineswegs ein Gegensatzpaar zwischen Wahrheit und Glauben auf. Gläubig und wissend zu sein sind keine Widersprüche. Die Weisheit der Welt reicht schlichtweg nicht aus, um Gottes Wollen für die Menschen und sein Wirken in dieser, unserer Welt in seiner Gänze zu erfassen und zu verstehen. Die scheinbar Weisen und Klugen verkennen, dass die ,,[…] göttliche Torheit […] weiser [ist] als die Menschen sind, und die göttliche Schwachheit […] stärker als die Menschen sind“. Paulus erinnert die Korinther daran, das das vernunftbegabte Erkennen der göttlichen Weisheit das Fundament des Glaubens bedarf. An die Vollkommenheit der göttlichen Weisheit zu glauben, führt im gleichen Zuge dazu die beschränkte Erkenntnisfähigkeit des Menschen zu akzeptieren. Für diejenigen, die das nicht glauben wollen oder können wird der Kreuzestod Jesu und seine Auferstehung immer ein Ärgernis oder Torheit bleiben.

Der auferstandene Christus ist nur wenigen nach seiner Kreuzigung begegnet und hat sich ihnen zu erkennen gegeben. Ja, es waren es nur wenige, die die sinnliche Erfahrung der Kreuzigung und der Auferstehung Jesus unmittelbar selbst gemacht und darüber Zeugnis abgelegt haben.

Nach unseren heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden ist sicherlich klar, dass es im strengen Sinne keinen Beweis für den Kreuzestod und noch viel weniger von der Auferstehung Jesus gibt. Damit sind die Berichte der Evangelien eindeutig keine unmittelbar, intersubjektiv überprüfbare Darstellungen eines historischen Ereignisses, sondern vielmehr Glaubenszeugnisse bzw. -erzählungen der Menschen, die den Tod und die Auferstehung Jesus selbst wahrgenommen und als wahr erkannt haben.

Zur kritischen Wahrheit gehört aber gleichermaßen, dass es mit unseren heutigen naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden nicht beweisbar ist, dass die Auferstehung nicht doch möglich gewesen sein könnte.

Das menschliche Wissen ist begrenzt durch die subjektiven Schranken seiner Erkenntnisfähigkeit und den objektiven Schranken der naturwissenschaftlichen Methodik. An einem Beispiel festgemacht: Was vor dem Urknall existierte und was zum Urknall führte wird sich mit naturwissenschaftlichen Erkenntnismethoden niemals ergründen lassen, schlichtweg deshalb, weil die Naturgesetze erst nach dem Urknall entstanden sind und damit nicht als Erkenntnismethode eines Vorzustandes ihrer eigenen Existenz dienen können. Die Wirklichkeit und Wahrheit der sichtbaren, sinnlich erfahrbaren und naturwissenschaftlich erkennbaren Welt bleibt somit immer lückenhaft. Diese Lücke füllt der vernunftbegabte Glauben durch die göttliche Wirklichkeit und Wahrheit, die immer größer sein wird als das, was der Mensch alleine durch sein verstandesmäßigen Erkennen für wahr hält.

Wenn der Mensch nun für sich selbst erkennt, dass seine Weisheit endlich ist, führt ihn diese Erkenntnis unweigerlich zu Gott. In dem wir Christen Jesus von Nazareth als den Gekreuzigten und Auferstanden predigen, predigen wir den Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit in der Welt der Menschen. In dem wir glauben, gewinnen wir Anteil an der göttlichen Weisheit, werden sie aber nie in Gänze erlangen.

In der Fleischwerdung Gottes in Jesus Christus ist Gott selbst Mensch geworden und greif- und sichtbar in die Welt der Menschen gekommen. Im Kreuz hat sich Gott den Menschen und seine ganze Liebe zu den Menschen offenbart. Eine Liebe zu den Menschen, die so unermesslich groß ist, dass Gott die Schuld der Menschen auf sich nimmt und für sie zur Erlösung und Errettung am Kreuze stirbt. Einem Gott, der aufersteht, der Leid und Tod endgültig überwindet und uns Menschen die Hoffnung verspricht, im Glauben an den Auferstanden erlöst und errettet zu werden. Ohne Kreuz keine Auferstehung. Ohne Auferstehung kein Christus. Ohne Christus kein Glauben. Ohne Glauben keine Hoffnung und Liebe.

„Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden!“

Halleluja!

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von Prädikantenanwärter Thorsten K. Schreiweis, EMB

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