Predigt zu Jona

Predigtbausteine zu Jona 1,12,11

Liebe Gemeinde, liebe Schwestern und Brüder,

was für ein Text. Viel gemalt und viel besungen (man denke nur an die wunderbare Dichtung von Klaus Peter Hertzsch, Der ganze Fisch war voll Gesang heißt das entsprechende Buch). In der Kinderkirche gemalt voller Freude über Sturm, Schiff, Fisch und Mensch – in allen Varianten.

Tiefenpsyschologische Deutungen oder andere Herangehensweisen haben sich mit dieser Erzählung beschäftigt.

Auf jeden Fall ein Text, an dem man nicht einfach vorbeigehen kann.

Schon beim Vorlesen eine eigene Predigt.

Einen Liedtext will ich nun hinzusetzen, der in seiner Weise, die existentiellen Erfahrungen mit diesem Text ausspricht. Ein ursprünglich holländisches Lied, von Jürgen Henkys ins Deutsche übersetzt:

 

  1. Bist du mein Gott? Und ich, trotz Widerreden,

bin ich dein Mensch noch? Überlässt du jeden,

der von dir fortging, seinem Los?

  1. Ein Zeichen gib des Wissens, des Vergebens!

Ich rufe aus der Tiefe eines Lebens,

das zu den Toten niederfuhr.

  1. Du selbst, o Herr, hast mich von Dir vertrieben.

Hilf doch! Das Wasser steigt, die Wellen stieben.

Rette mein Leben aus dem Meer.

 

  1. In seinem Schoß kann nur ein Fisch sich flüchten.

Mich Morgenvogel (Jona=Taube) muss die Flut vernichten,

mich Menschenkind schluckt Finsternis.

 

  1. Ach Herr, gib Licht! Ich fiel aus deiner Gnade.

Wie lang entziehst du mir Tag und Gestade

mit abgewandtem Angesicht?

 

  1. Ich lief verkehrt. Hast du mich ganz verstoßen,

auf ewig hinter mir die Tür verschlossen, wo deine Lebensschätze sind?

  1. Schau mich doch an, lass Dein Geschöpf nicht fahren.

Sieh diesen Tang und Schlamm in meinen Haaren –

Soll das dein Kranz des Lebens sein?

 

WENDE

  1. Da sagst Du nein, du holst mich aus den Wellen.

Nun muss der Tod sein eignes Grab bestellen,

denn alle Tiefen sind schon dein.

 

  1. Du, vor dem Wind, Flut, Tod und Hölle beben –

Du bist mein Gott, ich darf dein Mensch sein, leben!

Ich mache deinen Namen groß.

 

Text: holl. „Zijt Gij mijn God“ Ad den Besten 1965/dt. Ü. „Bist du mein Gott“ Jürgen Henkys;

Melodie: Bernard Smilde

 

Warten, warten, warten.

3 Tage wie eine Epoche. 3 Tage im Bauch eines Fisches. 3 Tage wie im Reich des Todes.

Neuanfang, Rettung, Auferstehung noch weit und unvorstellbar.

Das Warten dehnt sich. Schließlich die Frage:

Bist Du mein Gott? Und ich – bin ich Dein Mensch noch?

Ach Herr gib Licht! Ich fiel aus deiner Gnade.

 Wie geht es Ihnen in Ihrem Warten? In der Zeit der Pandemie – warten Sie noch? Warten auf neue Nachrichten. Warten auf das Begegnen.  Oder haben Sie sich abgefunden mit dem Ungewohnten? Es sich schon angeeignet?

Wie geht es uns mit unserem Warten, mit Blick auf uns selbst?

Ach Herr gib Licht! Ich fiel aus deiner Gnade. Sind wir überhaupt noch fähig so zu sprechen. Spüren wir noch, dass wir im Warteraum der Hoffnung sind? Oder haben wir diesen Spannungsbogen im eigenen Leben schon zerbrochen?

Wie geht es mit unserem Warten?  Mit Blick auf diese Welt?

Haben wir uns innerlich doch schon eingerichtet in dieser Welt?

Finden wir uns ab mit den wiederkehrenden Konflikten?

Gellt uns das Unrecht noch in den Ohren? Die Ungerechtigkeit, die Erbarmungslosigkeit, die Gewalt?

Hören wir auf den Ruf – den Ruf der Welt, den Ruf auch unserer Seele, den Ruf Gottes nach Veränderung?

Lass Dein Geschöpf nicht fahren.

Hören wir auf die Stimme der Hoffnung? Die uns sagt: Es muss, es wird anders werden?

Oder gehen wir andersherum, wie Jona, und stemmen uns dagegen: Lass mich doch einfach.

Lass mich weiterleben, so wie ich es will. Führ mich doch nicht zu den Problemstellen. Lass mich das Dunkle ignorieren. Lass mich bleiben, wer ich bin.

Was aber, wenn Gott nicht aufgibt? Nicht uns, nicht diese Welt?

Was ist, wenn er beständig wirkt, wie eine Kraft, die uns anstößt?

Die Jonageschichte erzählt von der Unablässigkeit Gottes.

Und von seinem Propheten, einem ziemlich unflexiblen Menschen. Sympathisch bequem, unheimlich inert.

Hier ein Mensch, schwerfällig und voller Widerstand.

Da der Geist Gottes, der ihn bewegen will. (Wir sind in nachpfingstlicher Zeit.)

Der Kampf, der Tanz der beiden ist wie ein schwingendes Pendel.

Beim Pendeln „wird die potentielle Energie der Masse in kinetische Energie und wieder zurück verwandelt. In der Ruheposition liegt die gesamte Energie der Schwingung als kinetische Energie vor, am Scheitelpunkt als potentielle Energie.“ So sagt es das Grundwissen zum Pendel, hier: Wikipedia.

Das Buch Jona hält, wie eine Filmkamera im Zeitlupenmodus, immer wieder auf einen Punkt in der Bewegung:

den Scheitel-, den Umkehrpunkt des Pendels, den Punkt ganz weit außen,

den Moment, in dem das Pendel in der Luft ruht, den Wendepunkt der Umkehr, wo das alte Leben stillsteht und das neue noch nicht sichtbar wird

(Berufung mit Richtungswechsel, Flucht / Sturz ins Wasser, Ertrinken/Fischbauch/Errettung, Sitzen unter der Pflanze)

Der Fischbauch ist so ein Umkehrpunkt,

das Pendel steht in der Luft, drei Tage hält dieser Zustand an.

Der Ort der Isolation wird Ort der Verdichtung, Begegnung: mit sich selbst, mit Gott, mit dem Auftrag, mit der Welt.

Alles wird verloren an diesen Scheitelpunkten,

durch eine Flucht, einen Sturz, ein Ertrinken.

Alles wird dort auch gefunden,

durch ein Scheitern, durch ein Geschluckt- und Freigelassen-Werden.

Der ultimative Scheitelpunkt: Absolute Stille. Absolute Abgeschiedenheit.

Im absoluten Nichtort: im Bauch eines Fisches, der durch die Ozeane gleitet, hunderte von Metern fern von Luft und Licht, nicht zu orten, nicht zu fassen, niemandem bekannt.

In der Nichtzeit: Zeit, die keiner zählt oder zählen kann, daher im Rückblick dann drei Tage – eine vollkommen unendliche Zeit.

Ein Mensch losgelöst, absolut allein. Von der Gemeinschaft, von seinem Weg, dem Gang der Dinge.

Ein Mensch konfrontiert, nie so identisch. Mit sich. Mit Gott. Mit seinem Leben.

 

Nullpunkt?

Umkehrpunkt. So hat Gott es festgelegt.

Der Bauch des Fisches soll der Ort sein, der eine Geburt vorbereitet.

Was, wenn Gott uns eine Chance schenkt, in der Stille dieser Tage?  In den Wartehaltungen unseres Lebens?

Bald ist die Krise wohl vorbei, wenigstens für uns hier auf der Nordhalbkugel. Bald wollen wir endlich wieder zu Werke gehen -wie vorher.

Lassen wir Gott zu Werke gehen? Uns in Schwung setzen?

Damit wir uns aufmachen in diese Welt, wenn uns der Fisch entlässt?

Kloster Kirchberg ist nicht der Bauch des Fisches und die Kapiteltagung der Michaelsbruderschaft ist nicht Jona.

Aber wir sind Menschen – mit unseren jeweiligen Biografien – die angewiesen sind auf den göttlichen Neuanfang mit uns.

Mit unserer Gemeinschaft, mit unserer Kirche. Nein, weglaufen geht nicht und gilt nicht.

Gott will uns seinen Geist geben, jenen Pendelschlag seiner Energie, der uns in dieser Zeit, in dieser Gesellschaft erneuert.

In Jesus Christus hat er uns sein Gesicht gezeigt. Ihn hat er aus der Finsternis der Erde geholt und er hat sich im Licht des Ostermorgens gezeigt.

Des Wartens ist ein Ende. Die Hoffnung in Christus wird zur Begleitmelodie neuen Lebens.

Hören sollen wir, Hören und Empfangen. Als so Gezeichnete, Ausgezeichnete können wir den Weg gehen, der vor uns liegt. Und verkündigen und geben.

Gesegnet, um anderen zum Segen zu werden. Du bist mein Gott, ich darf dein Mensch sein, leben.

 Welch eine Verheißung.

Amen.

von Landesbischofs Dr. h. c. Frank Otfried July

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