Meditation zum Letzten Sonntag nach Epiphanias

Lesungen des Sonntags:

Alttestamentliche Lesung – Exodus 3, 1-15
Evangelium – Matthäus 17, 1-9
Predigttext – 2Petrus 1, 16-21

 

An einer Gelenkstelle des Kirchenjahres kommen wir heute an: Letzter Sonntag nach Epiphanias – Rückschau auf den Weihnachtsfestkreis, Ausblick auf den Osterfestkreis, das Erzählen, das Erinnern von Leben, Leiden und Sterben unseres Herrn Jesus Christus. Ausdrücklich erzählt wird an diesem Sonntag im Evangelium von der Verklärung Jesu, von einer Herrlichkeit Gottes, die die Jünger sehen auf dem Berg der Verklärung. Gott selbst sehen sie nicht. Sie hören eine Stimme aus der Wolke, die zu ihnen spricht: „Das ist mein lieber Sohn; den sollt ihr hören.“ Es ist dieselbe Stimme, es sind die dieselben Worte, es ist DERSELBE, den sie vernehmen, wie bei der Taufe Jesu. Auch dort wird erzählt, wie der Himmel sich auftut und eine Stimme aus der Wolke spricht: „Das ist mein lieber Sohn, an dem ich Wohlgefallen habe.“

Wie in einem Brennglas vernehmen wir in den Lesungen dieses Sonntags von der Herrlichkeit Gottes; vom Angesicht Gottes; von der Herrlichkeit, die sich sehen lässt. In den Worten des Predigttextes liest sich das so: „Wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen.“

Angesicht Gottes, Herrlichkeit Gottes – wie können wir davon etwas wahrnehmen? Wie lässt sich Gott selbst wahrnehmen? Einen entscheidenden Hinweis gibt die alttestamentliche Lesung des Sonntags, die Erzählung von der Begegnung des Mose mit Gott am brennenden Dornbusch. Die Erzählung von der Selbstoffenbarung Gottes. Dieser Gott hat keinen Namen wie Müller oder Meier, sondern ein Handeln, ein Versprechen, das ist sein Name: „Ich bin der ich bin da“. So unterschiedlich wie sich diese Worte übersetzen lassen, bleibt doch die zentrale Aussage: „Ich bin da für euch.“ In der Situation der Israeliten, die als Sklaven in Ägypten leben müssen: „Ich habe das Elend meines Volkes gesehen… ich will euch aus diesem Land herausführen.“

Ein Gott, der von sich sagt: „Ich bin der ich bin da“ – für Mose, für die Israeliten wie später für die Jünger Jesu, die auf dem Berg der Verklärung bezeugen „wir haben seine Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen“, wie auch für Generationen nach ihnen und letztlich für uns heute bleibt das wundersam, ja, wunderbar. Gott lässt sich erfahren. Er geht hinein in unser menschliches Schicksal. Verspricht, dass er mitgeht; dass er mitträgt an dem, was schwer zu tragen ist; dass er begleitet; dass er nicht allein lässt.

Könnte das auch in unserer erfahrenen Bedrängnis durch ein Virus ein großes Zeichen des Vertrauens sein, das Gott setzt: „Ich bin da für euch. So viel Finsternis um euch herum sein mag.“?

Der Verfasser des 2. Petrusbriefes schreibt: „Achtet auf das Wort, das wir euch sagen als auf ein Licht, das da scheint an einem dunklen Ort, bis der Tag anbricht und der Morgenstern aufgeht in euren Herzen.“ Achtet darauf! Auf das Licht, das aufscheint.

Gott lässt sich wahrnehmen – nicht nach unserem eigenen Wollen und Bemühen, sondern nach seiner Verheißung. Gott selbst offenbart sich, wann und wo er will; der Geist Gottes lässt uns das erfahren und erleben. Wir können eine Gottesbegegnung nicht erzwingen. Wir können nicht herstellen, dass Gott sich uns offenbart. Aber wir können ihn darum bitten, dass er kommt, dass er uns erscheint und wir seine Nähe, seine Hilfe, seine Gegenwart erfahren.

Dunkle Momente im eigenen Leben, die kennen wir und die erleben wir immer wieder. Und aktuell wünschen wir uns, dass die Schatten der Dunkelheit weichen, dass der Tag anbricht – der Tag nach Corona; der Tag nach drastischen Einschränkungen, die uns das Leben wirklich schwer machen. Wir ersehnen, dass die Dunkelheit weicht und wir Licht sehen können.

Gott selbst wird sich uns zu erkennen geben – in der Person, im Handeln, im Leben, Leiden, Sterben und Auferstehen seines Sohnes Jesus Christus zeigt Gott bis heute, wie er für die Welt da ist: dass er bis in die letzten Tiefen der Dunkelheit selbst hineingeht und hinabsteigt, um von neuem das Licht zu bringen, das Licht der Welt zu sein, das jede Finsternis umstrahlt und hell macht.

Vielleicht können wir das für die neue Woche und die länger noch vor uns liegende Zeit dunkler Schatten mitnehmen: Es wird nicht immer dunkel sein. Der Tag wird anbrechen. Der Morgenstern, Christus selbst, wird aufgehen über uns. Es gilt, dass wir ihn wahrnehmen in unserem Leben und dass wir rückblickend auf bestimmte Momente sagen können: „Da habe ich etwas von Gottes Herrlichkeit mit eigenen Augen gesehen. Und dann will ich, vom Heiligen Geist getrieben, in Gottes Auftrag reden.“

„Wenn es Tag wird, fragen wir uns, wo wir Licht zu finden vermögen in diesem niemals endenden Schatten. […] Wenn der Tag kommt, treten wir aus dem Schatten heraus, entflammt und ohne Angst. Die neue Morgendämmerung erblüht, wenn wir sie befreien.“

So sagte es Amanda Gorman bei der Vereidigung des neuen US-Präsidenten Joe Biden am 20. Januar in ihrer weltweit so oft geteilten poetischen Rede. Eine 22jährige junge Amerikanerin, „ein dünnes schwarzes Mädchen, das von Sklaven abstammt und von einer alleinerziehenden Mutter großgezogen wurde“, wie sie sich selbst beschreibt. Sie redet von ihrer Hoffnung, von ihren Träumen, von ihrer Überzeugung, von ihrem Vertrauen. Ihre Worte haben mich sehr bewegt – und bei unserem Predigttext habe ich mich an diese Worte erinnert gefühlt.

Gott selbst wird erscheinen. Wir werden IHN sehen, unverhüllt, mit eigenen Augen. Amanda Gorman sagt es so: „Es gibt immer Licht, wenn wir nur mutig genug sind, es zu sehen. Wenn wir nur mutig genug sind, es zu sein.“

Und ich ergänze: Wenn wir nur offen genug sind, Christus, das Licht der Welt, immer neu in unser Leben zu lassen – damit es hell wird in uns und um uns herum in unserer Welt.

 

Markus Müsebeck, EMB Konvent Oberrhein

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