Zum Sonntag EXAUDI

Zum Sonntag EXAUDI, 16. Mai 2021

Der Herr Jesus ist weg und der Heilige Geist noch nicht da!

Exaudi, Domine vocem meam, qua clamavi ad te.

Dieser Psalmvers (Ps. 26,7 nach der lateinischen Vulgata-Zählung) des Introitus zum Sonntag „infra Octavam Ascensiones“ (dem Sonntag in der Oktave nach Christi Himmelfahrt) hat mit seinem ersten Wort den Sonntagsnamen bis heute bestimmt.

Der jetzt auch als 6. Sonntag nach Ostern gezählte Tag der „Wartenden Gemeinde“ hat als Introitus / Eingangs- und Wochenpsalm eine Auswahl aus Psalm 27 nach der Luther-Übersetzung.

Das Evangelische Gottesdienstbuch (2020) nimmt den Vers 7 als Leitvers dazu:

„Herr, höre meine Stimme, wenn ich rufe, Halleluja; sei mir gnädig und antworte mir, Halleluja.“

Damit ist die Kontinuität zum überlieferten Sonntagsnamen gewahrt.

Im Wochenpsalm 27A des Evangelischen Tagzeitenbuches (2020) für Exaudi fehlt dieser namengebende Vers 7.

 

Zu den Lesungen:

Die AT-Lesung aus dem Propheten Jesaja (Jes 31,31-34) verheißt den neuen Bund und bezeugt die Hoffnung künftiger Gotteserkenntnis von Klein und Groß.

Die Epistel (Eph 3,14-21) überliefert ein altes Lob- und Preislied an den Vater Jesu Christi.

Im Evangelium (Joh 16,5-15) verheißt Jesus seinen Jüngern in diesem Abschnitt der sogenannten Abschiedsreden das Kommen des „Trösters“, des Beistandes und weist auf den herbeigerufenen Geist der Wahrheit.

Der Wochenspruch führt den Tagesspruch von Christi Himmelfahrt fort: „Christus spricht: „Wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ (Joh 12,32)

Die beiden vorgeschlagenen Wochenlieder: Heilger Geist, du Tröster mein (EG Nr.128) oder: O komm, du Geist der Wahrheit (EG Nr.136) nehmen gleichsam die auf Pfingsten gerichtete Hoffnung auf und bitten um ein erfülltes Fest.

 

Zum Leitbild: Die wartende Gemeinde

Warten: ‘verweilen, bleiben, bis etwas Bestimmtes eintritt, harren, pflegen’.

Die Ausgangsbedeutung ist ‚sehen‘, ‘seinen Blick auf etwas richten’ geht über in ‘achthaben, sorgen, pflegen’, auch ‘seinen Blick auf das Begehrte richten, das man zu erhalten hofft’, und führt zu der jüngeren Bedeutung ‘harren’, Luthers „harren“ muss für Oberdeutsche erklärt werden.

Harren: eher „zielgerichtetes erwarten eines Ereignisses“

 

Besinnung

Harren und warten – diese Ausdrücke kommen in der Heiligen Schrift oft vor. Es ist die wartende Jüngerschar, die in der Gemeinde aus Frauen und Männern, Kleinen und Großen, Alten und Jungen, in der weltweiten Kirche ihre Fortsetzung und Gestalt gewinnt. Das Alte ist vergangen, aber der Anbruch des Neuen, in Jesu Auferstehung zu deutende Wirklichkeit verdichtet, kann bezeugt, aber bis zur Vollendung bleibt das zielgerichtete Warten der Kirche aufgetragen.

Solches in einer ungeduldigen Zeit, mit Menschen die das Warten schon nicht mehr auszuhalten scheinen, öffentlich zu bezeugen, ist schwierig. Und dennoch: Ohne Wartezeit geht es im Leben nicht ab. Es kommt nur darauf an, was mit dieser speziellen Zeit angefangen wird. Ist eine solche Spanne totzuschlagen, weil unnütz, zu vertreiben, weil unangenehm? Oder zu nützen, als Geschenk und Freiraum, Freizeit im Blick auf das Kommende, Erwartete, auf das zu bereiten schon Freude und Befriedigung schafft?

Die wartende Kirche bezeugt durch ihr und mit ihrem Dasein ihr Herkommen von der mit Verheißung verknüpften österlichen Bezeugung der Auferstehung Jesu Christi von den Toten. Sie lebt aus der Erfüllung der erwarteten pfingstlichen Geistgabe an die versammelte Jüngerschar und darüber hinaus in Verbindung mit der Taufe in die Völkerwelt hinein. Die aus den Getauften sich herleitende communio sanctorum, die Gemeinschaft der Heiligen, ist jene, die die Auferstehung zum ewigen Leben erwartet und der Vollendung gewürdigt wird. Die Spannung, zwischen dem „schon jetzt“ und dem „noch nicht“, von der der Apostel Paulus schreibt, bildet den Warteraum der Kirche, der Gemeinden und jedes einzelnen Christenmenschen. In der „erfüllten Zeit“ sprudelt lebendiges Wasser und ist erquickende Zehrung im Mahl bereitet. Damit dient die Kirche den Suchenden, Wartenden und auf Vollendung Hoffenden.

 

Als Predigttext (Ordnung III) sind drei Verse aus dem Johannesevangelium für heuer ausgewählt:

„Am letzten, dem höchsten Tag des Festes trat Jesus auf und rief:

Wen da dürstet, der komme zu mir und trinke!

Wer an mich glaubt, von dessen Leib werden, wie die Schrift sagt, Ströme lebendigen Wassers fließen.

Das sagte er aber von dem Geist. Den die empfangen sollten, die an ihn glaubten; denn der Geist war noch nicht da; denn Jesus war noch nicht verherrlicht.“ (Joh 7,37-39)

Am dritten der jüdischen jährlichen Wallfahrtsfeste, Sukkot (Laubhüttenfest), an dem für die herbstliche Ernte gedankt wird, ist Jesus in Jerusalem im Tempelbezirk. Am letzten Tag erfolgte ein bedeutender Wasserritus: Am frühen Morgen des „Großen Tages“ schöpften Priester mit einem goldenen Krug Wasser aus der Siloah-Quelle und trugen es durchs „Wassertor“, zum Tempel. Trompetenklänge begleiteten den Zug. Ein speziell dafür ausgeloster Priester erstieg die Rampe des Brandopferaltares und goss das Wasser in eine silberne Schale. Durch eine Öffnung am Boden floss das Wasser auf den Altar und durch unterirdische Kanäle zurück in die Erde. So vollendete sich der wassergebundene Lebenskreislauf, in mystischer Weise mit dem Geist- und Gnadenkreislauf der von Gott bewahrten und geretteten Schöpfung verbunden, wieder in der Erde. Ein dankbarer Jubel der Versammelten erfüllte den Platz.

Mitten in dem Jubel stand Jesus, ist selbstverständlich da und es erklingt sein Ruf, sein Heilandsruf. Nicht als Gegenstimme, sondern „es ist die ‚Erwahrheitung‘ des festlichen Wähnens, die Gegenwart des Erhofften. Das alte Fest wird nicht verworfen; es wird auch nicht überholt, sondern hereingeholt in seine Wahrheit“ (Wilhelm Schmidt).

Wie das Volk Israel in seiner Geschichte immer wieder Zeiten des Wartens durch zu halten, durch zu leiden und zu hoffen hatte, so hatte es auch die prophetischen Worte der Hoffnung zum Trost. Zu diesem Bilder- und Formelschatz gehört auch Jesu Bildwort vom Wasser, das den Durst löscht, die Wüste in grünende Auen wandelt und als Wasser des Lebens eschatologische Qualität erlangt.

Diese Dimension ist dem Glaubenden erschlossen. Sie oder Er erkennt durch Christus das Lebenspendende, durch ihn auch mit dem Schöpfer-Geist und Tröster verbunden. Der leuchtende Bogen von der Schöpfung zur Erlösung ist gespannt im festlichen Ritual ausgekostet.

Für Christenleute verbindet sich das mit dem Christusgeheimnis von Tod und Auferstehung, das in der Taufe jedem und jeder zugeeignet wird. Dann, aus dieser glaubenden Verbindung mit Christus heraus, mag das verheißende Wort Jesu für die nachpfingstliche Gemeinde gelten: Von dessen Leib werden Ströme lebendigen Wassers fließen.

Warten in freudiger Geduld – aber gewiss, dass der dreieinige Gott die Stimme der Rufenden hört.

 Ernst Hofhansl

 

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Literatur:  https://www.dwds.de/wb/warten
Rudolf Bultmann, Das Evangelium des Johannes, Göttingen, Nachdruck 101968.
Stephanie Höhner, Es sprudelt weiter, GPM 110(2021)327-332.
Friedrich Kluge, Etymologisches Wörterbuch der deutschen Sprache, Berlin 201967.
Wilhelm Stählin, Predigthilfen Band I, Evangelien, Kassel 1958.
Wilhelm Stählin, Predigthilfen Band Band IV, Die Leitbilder – die Wochensprüche, Kassel 1966.
Wilhelm Schmidt, Der brennende Dornbusch. Eine Darlegung des Evangeliums nach Johannes, Frankfurt/Main 2000.

 

 

Ernst Hofhansl

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